Vor 100 Tagen bekam ich die Diagnose Morbus Wegener, Granulomatose mit Polyangiitis oder auch c-ANCA assoziierte Vaskulitis. Ich habe dies zum Anlass genommen, meine Krankheitsgeschichte aufzuschreiben.
Im Nachhinein betrachtet, hatte ich
schon mein ganzes Leben immer wieder Krankheitsanzeichen. Allerdings
nahm davon niemand richtig Notiz.
Seit der (wirklich schweren) Geburt
meiner dritten Tochter im Sommer 2009, war ich im Prinzip nur noch
krank. Selten gab es längere Phasen in denen ich bei guter
Gesundheit war.
Im September 2010 bekam ich eine
Mittelohrentzündung. Die erste seit Babytagen (als Baby hatte ich
monatelang Mittelohrentzündungen). Diese Mittelohrentzündung
reagierte auf keines der verschriebenen Antibiotika. Irgendwann
schickte mich der HNO-Arzt mit den Worten 'Es ist wohl eine durch
einen Virus verursachte MOE, da hilft nur abwarten.' nach Hause. Also
wartete ich ab.
Nach etwa einem halbem Jahr, war das Ohr
soweit ok, dass ich wieder normal darauf hörte und die Funktion der
Eustachischen Röhre auch normal war. Allerdings hatte ich immer noch
eine erhöhte Temperatur von durchschnittlich 37,6 Grad. Das sollte
sich auch bis zum Beginn der Therapie nicht merklich ändern.
Kurz danach bekam ich eine Furunkulose,
ausgelöst durch Staphylococcus aureus. Damit quälte ich mich etwa 3
– 4 Monate rum, hatte teilweise mehrere schmerzhafte Furunkel
gleichzeitig in den Achseln, den Leisten und dem Bauch. Auch hier
half kein verordnetes Antibiotika oder Tinktur. In meiner
Verzweiflung ging ich zu einem Heilpraktiker, der mir einen Tee
verordnete, der auch keine Linderung brachte.
Irgendwann klang die Furunkulose von
selbst ab.
Kurz darauf, Ende November 2011, bekam
ich die nächste Mittelohrentzündung, diesmal auf der anderen Seite.
Es begann das gleiche Spiel wie im Jahr zuvor. Mir wurden
verschiedene Antibiotika verschrieben, die alle nicht anschlugen. Nach
drei Wochen wachte ich morgens auf und hatte einen nassen Fleck auf
dem Kopfkissen, und ich merkte, dass ich Verkustungen am Ohr hatte. Ein
weiterer Besuch beim HNO-Arzt bestätigte, dass mein Trommelfell
geplatzt war. Ich wurde in die HNO-Ambulanz des örtlichen Klinikums
überwiesen. Dort wurde ein Abstrich des Sekrets gemacht, mit dem
Ergebniss Staphylococcus aureus. Ich bekam nun Ohrentropfen
verschrieben. Zwei Tage später, hatte ich eine extrem schmerzhafte
Entzündung des Gehörgangs.
Am 03.12.11 wachte ich morgens mit
Kopfschmerzen auf. Gut, ich hatte abends einen Kaba mit Rum
getrunken, aber das ich davon einen Kater haben sollte, erschien mir
doch ungewöhnlich.
Seit diesem Tag wachte ich jeden Morgen
mit Kopfschmerzen auf. Ich nahm täglich die Höchstdosis Ibuprofen.
Teilweise wurde ich Nachts wach vor Schmerzen. Es ging soweit, dass ich
mir die Schmerztabletten unter das Kopfkissen legte und diese Nachts
gegen 3.00 nahm. Etwa zur gleichen Zeit, hatte ich die ersten
rheumatischen Beschwerden. Teilweise so schlimm, dass ich morgens kaum
aus dem Bett kam. Hinzu kamen Kopfhautschmerzen. Jede Berührung
meiner Haare war schmerzhaft. Kämmen oder Haare waschen wurde zur
Qual. Ich hatte auch plötzlich immer öfter Nasenbluten. Ich wurde
extrem Licht- und Geräuschempfindlich. Die üblichen Schmerzmittel
brachten kaum noch Linderung.
Aufgrund meiner Kopfschmerzen ging ich
zum Optiker, der eine Weit- und Winkelfehlsichtigkeit feststellte. Ich
ließ mir eine Brille anfertigen und hoffte, dass es nun besser wird.
Leider half auch die Brille nicht viel.
Ich hatte inzwischen auch schon längere
Zeit Schnupfen. Wenn ich mir die Nase putzte, hatte ich einen roten
Nebel aus feinen Blutspritzern im Taschentuch. Dazu kamen extrem
große Borken in der Nase, die sich sehr schnell nachbildeten.
Ich probierte mich durch die komplette
Palette frei verkäuflicher Medikamente, war Stammgast in der
Apotheke und ließ mehrere hundert Euro dort. Ich inhalierte, spülte,
bestrahlte. Nahm Mittel zur Stärkung des Immunsystems, Pillchen und
Pülverchen. Alles ohne Linderung. Mittlerweile brauchte ich zwei
Flaschen Nasenspray pro Woche und hatte überall im Haus Nasenspray
verteilt. Meine größte Angst war es, dass ich irgendwo bin und kein
Nasenspray greifbar habe.
Ich wechselte meinen Hausarzt. Der neue
Arzt diagnostizierte, aufgrund meiner Blutwerte, eine chronische
Borreliose und verschrieb mir eine 7 Wochen andauernde Antibiose.
Diese führte zwar dazu, dass am Ende keine Borrelien mehr im Blut
nachweisbar waren, meine Gelenkschmerzen aber schlimmer als
jemals zuvor waren. Teilweise konnte ich meine Beine nicht mehr anwinkeln
vor Schmerzen. Ich konnte das Bein zwar schmerzfrei bewegen wenn ich
es mit der Hand angehoben und dann verschoben habe, aber sobald ich
die Muskeln zu Hilfe nehmen wollte ging nichts mehr.
Nun bekam ich auch noch Husten. Einen
trockenen, unproduktiven Husten.
Mein Trommelfell war mittlerweile seit
2 Monaten offen, mein HNO-Arzt, immerhin bis vor Kurzem der
stellvertretende Oberarzt einer guten HNO-Klinik, war mit seinem
Latein am Ende und schickte mich mit den Worten 'Wir müssen
abwarten.' nach Hause. Zu diesem Zeitpunkt konnte ich schon seit 6
Wochen keinen Druckausgleich mehr auf dem linken Ohr durchführen.
Die Eustachische Röhre war dicht.
Wegen meiner schrecklichen
Kopfschmerzen war ich mittlerweile im Schmerzzentrum in Therapie.
Dort wurde mir gesagt, ich müsse ab sofort alle Schmerzmittel
absetzen um einen Schmerzmittelinduzierten Kopfschmerz ausschließen
zu können. Die folgenden Wochen waren für mich eine schrecklich
schmerzhafte Tortur. Ich hatte rund um die Uhr Kopfschmerzen,
Kopfhautschmerzen, Gelenkschmerzen und neuerdings so schlimme
Schmerzen im Nasenbein, dass ich meine Brille nicht mehr tragen konnte.
Meine Nase war so schmerzempfindlich, das jede noch so kleine
Berührung schmerzte.
Nachts konnte ich kaum noch schlafen
vor Schmerzen, war tagsüber ausgelaugt und kaum belastbar. Meine
Gelenkschmerzen waren teilweise so stark, dass ich abends nicht mehr in
die Kinderzimmer in den 1. Stock kam zum Gute Nacht sagen.
Mein Cousin, ein
Hörgeräteakkustikermeister, empfahl mit eine HNO-Ärztin, die für
ihre Gründlichkeit in der Diagnosestellung bekannt sei. Diese
schickte mich sofort zum Dünnschicht-CT. Die Bilder zeigten ein
komplett verschattetes Mastoid und die bereits vorangeschrittene
Auflösung der knöchernen Strukturen. Mit diesen Bildern ging ich zu
meinem bisherigen HNO Arzt. Ich weiß bis heute nicht, warum er diese
Untersuchung nicht angesetzt hatte. Auf jeden Fall schickte er mich
umgehend in die Ambulanz der HNO-Klinik. Dort wurde mir ein Termin
für eine Mastoiddektomie gegeben.
Einige Tage vor dem OP Termin wurde mir
beim Autofahren auf einmal schwindelig und schwarz vor Augen. Ich
schaffte es gerade noch rechts ran zu fahren. Nachdem mir das an
diesem Tag noch mehrmals passierte, brachte mich mein Mann am nächsten
Tag in die HNO-Klinik. Die Ärzte dort stellten fest, dass ich extrem
hohe Entzündungswerte und eine unglaublich schnelle Blutsenkung
hatte. Ich bekam sofort Antibiotika i.v., das aber keinerlei Wirkung
zeigte. Zwei Tage später wurde ich operiert. Der Operateur erzählte
hinterher, dass er so etwas noch nicht gesehen hätte. Mein Mastoid war
voll von fest-fleischigem Gewebe. Eine Biopsie dieses Gewebes wurde
veranlasst. Aufgrund meiner Schmerzen in den Beinen, wurde ich auf
evtl. Embolien untersucht. Man entdeckte einen (!) Schatten auf der
Lunge.
Am nächsten Tag kam ein Arzt, stellte
die Verdachtsdiagnose Morbus Wegener in den Raum und nahm mir Blut ab
für die Bestimmung der c-ANCA Werte.
Zu diesem Zeitpunkt hatte ich so
extreme Schmerzen in den Beinen, dass ich kaum noch laufen konnte. Ich
vermied es mich auf einen Stuhl zu setzen, denn hinsetzen und
aufstehen waren zu schmerzhaft. Es wurde mit einer Cortison-Therapie
begonnen und ich war schmerzfrei. Zum ersten Mal seit 4 Montaten. Es
war ein Traum.
Nach 14 Tagen wurde ich aus der Klinik
entlassen. Meine Entzündungswerte waren zwar immer noch exorbitant
hoch, aber sonst fehlte mir Augenscheinlich nichts. Die Bestimmung
der c-ANCA Werte war ohne Befund.
Das Hörvermögen auf dem operierten
Ohr lag immer noch im stark schwerhörigen Bereich.
Zu Hause ging es mir, dank des Cortisons, recht gut. Ich sollte das Cortison recht schnell ausschleichen (alle
3 Tage reduzieren) und dann 14 Tage Cortisonfrei sein, damit man mein
Blut auf bestimmte Rheumamarker untersuchen konnte. Bereits bei einer
Dosierung von 5 mg am Tag, kamen meine Symptome zurück und es ging
mir täglich schlechter. In den Tagen in denen ich Cortisonfrei war, war ich todkrank. Ich lag fast nur noch, konnte mich zu nichts
aufraffen. Ich war extrem Kraft- und Antriebslos. Sogar das Nichtstun
überforderte mich. Die Versorgung der Kinder erfolgte nur noch
Behelfsmäßig. Wenn ich es schaffte ihnen eine Dose Ravioli warm zu
machen, dann war das wirklich großartig. Nach kurzen Anstrengungen, lag ich wieder mit hohem Fieber im Bett. Ich kam die Treppen in
unserem Haus teilweise weder hoch noch runter, und war nicht in der
Lage, meine Tochter in den Kindergarten zu bringen. Das Haus sah aus
wie einziges Chaos, darunter litt meine Psyche zusätzlich.
Ich hoffte nur noch, dass die Tage ohne
Cortison schnell vorbei gehen mögen und es mir endlich wieder besser
geht.
Inzwischen hatte ich eine taube Stelle
an der linken Ferse. Teilweise hatte ich das Gefühl, ich hätte einen
Elektrozaun im Fuß. Alle paar Sekunden hatte ich das Gefühl, einen
elektrischen Schlag zu bekommen. Diese Areal weitete sich schnell
aus.
Direkt nach der Blutabnahme, bat ich
meinen Hausarzt wieder mit dem Cortison starten zu dürfen. Ich nahm
wieder 20 mg und war abends schon wieder ein neuer Mensch.
Meine Blutwerte waren allerdings
alarmierend. Meine Nierenwerte waren viel zu hoch. Es wurde nochmal
Blut abgenommen, und die Ansage gemacht, dass ich, sollten die Werte
nicht besser sein, ins Klinikum müsste. Abends stellte mir eine
befreundete Ärztin aufgrund all meiner Symptome und der neuen
Nierenproblematik die Verdachtsdiagnose Morbus Wegener.
Die neuen Blutwerte waren noch
schlechter. Ich fragte meinen Arzt, ob es sich um Wegener handeln
könnte und er nickte nur und sagte er befürchte es.
Im Klinikum angekommen, lief die übliche
Maschinerie aus Untersuchungen an. Bereits am Abend nach meiner
Einlieferung stand die Diagnose MW zu 95 % fest. Meine Lunge war
mittlerweile voller Infiltrationen, sechs Wochen vorher war es nur
ein einziger Schatten gewesen und die Nierenfunktion auf etwa 10 %.
Meine Beschwerden am Fuß hatten sich
mittlerweile auf die ganze linke Seite ausgeweitet, incl. Spann. Dazu
kam das gleiche Elektrozaun-Gefühl in der Wirbelsäule auf
Nierenhöhe und im Becken.
Ich bekam drei Tage 500 mg Cortison
täglich, den ersten Endoxanstoß und eine Nierenpunktion. Diese
zeigte, dass 80 % der Nierenkörperchen irreversibel zerstört waren.
Ich bekam einen Zentralen-Venen-Katheter gelegt, über den sieben mal
eine Plasmapherese erfolgte. So saß ich alle zwei Tage zwischen 3,5
und 5 Stunden im Dialysezimmer und ließ mir 5 l Blutplasma
austauschen. Da mein Blut so voller Eiweiße war, mussten die Filter
immer wieder ausgetauscht werden.
Durch die hohen Cortisongaben besserten
sich meine Beschwerden sehr schnell. Der Husten wurde langsam besser,
der blutige Schnupfen lies nach und ich konnte meine Brille wieder
tragen. Auch die Kopfschmerzen wurden besser und irgendwann fiel mir
morgens auf, dass mir die Haare nicht mehr weh taten. Die Beschwerden
im Fuß wurden auch von Tag zu Tag besser. Mittlerweile ist es so, dass
nur noch eine kleine Stelle taub ist. Allerdings habe ich in einem
noch recht großen Areal eine Empfindungsstörung der Haut. Sie fühlt
sie so gereizt an, als hätte ich einen heftigen Sonnenbrand. Meine
Nierenfunktion liegt im Moment bei 25 %. D.h. zwar, dass ich nach wie
vor irgendwann Dialysepflichtig werde und eine Lebendspende brauche,
aber im Moment steht es nicht direkt ins Haus.
Bisher ist es so, dass ich drei Wochen
nach der letzten Endoxangabe wieder die ersten Krankheitsanzeichen
bekommen. Die Borken in der Nase, der Husten, die Gelenkschmerzen,
alles meldet sich dann langsam zurück. Ich hoffe, dass wir den lieben
Herrn Wegener bald im Griff haben und ich in die Remission komme.
Seit kurzem trage ich ein Hörgerät
auf der linken Seite, da ich einen Hörverlust von etwa 80 dB habe.
Bei manchen Frequenzbereichen grenzt es an Taubheit.Außerdem habe ich einen Tinnitus in drei verschiedenen Tonhöhen, damit kann ich
aber gut leben. Ich habe auch schon seit langer Zeit keine
nennenswerten Mengen an Schmerzmittel oder Nasenspray verwendet.
Nach der Diagnosestellung war ich
erstmal geknickt, aber dann doch froh endlich zu wissen womit ich es
zu tun habe. Am schlimmsten fand ich, dass ich die Monate vorher von
Pontius zu Pilatus gerannt bin und mir niemand helfen konnte. Wenn
sie ein Arzt verzweifelt anschaut und sagt 'Ich weiß nicht was ich
noch mit Ihnen machen soll', dann ist das nicht sehr aufbauend. Man
weiß man ist krank, aber niemand kann einem sagen was man hat. Wenn
man gesagt bekommt 'Frau H., sie haben nichts' und sich selbst aber
kaum auf den Beinen halten kann, dann fühlt man sich selbst wie ein
Simulant. Versucht sich zusammen zu reißen und weiterhin zu
funktionieren.
Dazu das Umfeld, dass die ständigen
neuen Krankheitsgeschichten nicht mehr hören kann und einen schon
langsam nicht mehr ernst nimmt bzw. davon ausgeht, dass man übertreibt.
Aber wer kann es ihnen verübeln, man zweifelt ja schon an sich
selbst.
Hallo Zickenbändigerin, durch Zufall bin ich gestern auf Deinen Artikel gestoßen, welcher mir nun keine Ruhe mehr lässt. Auf meiner eigenen Suche (mein Mann leidet an Morbus Boeck) habe ich gestern auch einen interessanten Anhaltspunkt auf einer Homepage gefunden, die ich Dir nicht vorenthalten möchte und natürlich in der Hoffnung, dass sie Dir hilft. http://bechterew-alternative.de/
AntwortenLöschenIch hoffe, Dir geht es gut, weil es keine Einträge mehr gibt seit Mai... Alles Gute, Schneeflocke